Rechtsanwalt Ludwig Wachter Diplom Betriebswirt |
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Auf dieser Seite stelle ich Ihnen meine Veröffentlichungen im Volltext vor.
Markenrecht – Schadensersatz durch angemessene Lizenzgebühr
(Bundesgerichtshof, Urteil vom 22.September 2021; Az: I ZR 2021 „Layher“)
Urteilsbesprechung von Rechtsanwalt Ludwig Wachter, Regensburg
Der Bundesgerichtshof hat in dem Urteil nochmals die Kriterien genannt, die bei der Festlegung einer angemessenen Lizenzgebühr als Schadensersatz nach einer Markenverletzung zu berücksichtigen sind. Er setzt sich auch mit der Frage auseinander, ob es lizenzmindernd zu berücksichtigen ist, wenn die Markenverletzung nur in der Werbung erfolgt und nicht auch dadurch, dass die Marke beispielsweise auf dem Produkt oder der Verpackung angebracht wird.
Der BGH führt aus, bei der Schadensberechnung nach den Grundsätzen der Lizenzanalogie sei maßgeblich, was vernünftige Vertragsparteien bei Abschluss eines Lizenzvertrages als Vergütung für eine Kennzeichennutzung vereinbart hätten. Zu ermitteln sei der objektive Wert der Kennzeichen- (Marken-) Benutzung.
Ausgangspunkt für die Beurteilung ist die Bandbreite marktüblicher Lizenzsätze als Prozentsätze vom Umsatz.
Innerhalb dieser Bandbreite sind dann zur konkreten Festlegung des Lizenzprozentsatzes folgende Faktoren zu berücksichtigen:
Der Bekanntheitsgrad und der Ruf der Marke, das Ausmaß der Verwechslungsgefahr, insbesondere der Grad der Zeichenähnlichkeit, Umfang und Dauer der Verletzungshandlung, die Intensität der Verletzung und auch die Frage, ob ein Marktverwirrungsschaden entstanden ist.
Eine Erhöhung der Lizenzgebühr aus dem Grund, weil eine schuldhafte Handlung vorliegt, (sog. Verletzerzuschlag) kommt laut BGH dagegen im Markenrecht nicht in Betracht, da dies mit den Grundlagen des deutschen Schadensrechts unvereinbart sei.
Das Schadensrecht hat demnach nur die Aufgabe, einen entstandenen Schaden auszugleichen, nicht aber, den Schädiger zusätzlich zu bestrafen.
Im vorliegenden Fall stellte sich die Frage, ob die Tatsache, dass eine Markenverletzung nur in der Werbung und nicht auch durch Anbringung der Marke auf dem Produkt erfolgt ist, lizenzmindernd zu berücksichtigen ist.
Der BGH hat die Möglichkeit einer Lizenzminderung in solchen Fällen bejaht.
Zwar hat es die Argumentation des Beklagten verworfen, die Werbung habe sich überhaupt nicht auf die Umsätze der Produkte ausgewirkt und deshalb sei der Ansatz einer Umsatzlizenz generell unzulässig.
Der BGH hält solche Kausalitätsüberlegungen für nicht praktikabel. Außerdem sei eine Lizenzzahlung eine Vergütung für die Benutzung einer Marke und nicht eine Vergütung für den erwarteten wirtschaftlichen Erfolg. Auch bei Abschluss eines Lizenzvertrages wird die Lizenzgebühr in aller Regel nicht an bestimmte Umsatzsteigerungen durch die Markennutzung geknüpft.
Bei der Benutzung einer Marke nur in der Werbung dürfe aber dennoch ein Abschlag von der üblichen Lizenzgebühr vorgenommen werden, weil die Intensität der Nutzung geringer ist, wenn ein Zeichen nur in der Werbung und nicht auch durch Anbringung auf dem Produkt benutzt wird.
Der BGH hat (nur) wegen des unzulässigen rechtlichen Maßstabes, den das Berufungsgericht angelegt hatte (Kausalitätserwägungen anstatt geringere Nutzungsintensität) das Urteil aufgehoben und den Fall an die Berufungsinstanz, das OLG Stuttgart, zurückverwiesen.
Es ist nicht ausgeschlossen, dass das Berufungsgericht in der Sache wiederum zu demselben Ergebnis kommt (Lizenzsatz von 5%), nur eben mit der anderen, vom BGH vorgegebenen Begründung.
Fälle wie der vorliegende zeigen überdeutlich, dass den streitenden Parteien gerade in Fällen, bei denen Gerichte einen Beurteilungsspielraum haben oder eine Schadensschätzung vornehmen müssen, zu einer gütlichen Beilegung des Streits durch Vergleich zu raten ist. Denn gerade Revisionsverfahren vor dem BGH verursachen sehr hohe Kosten und auch ein obsiegen in der Revision kann sich als Pyrrhussieg erweisen.
Urteilsbesprechung von Rechtsanwalt Ludwig Wachter, Diplom-Betriebswirt
Markenrecht - Bestehen aktive Handlungspflichten nach einem Unterlassungsurteil?
Europäischer Gerichtshof (EuGH Urteil vom 02.07.2020-C-684/19)
Urteilsbesprechung von Rechtsanwalt Ludwig Wachter, Regensburg
Das Landgericht Düsseldorf hatte auf eine Klage mit Urteil vom 17.10.2016 einer Rechtsanwaltskanzlei untersagt, die Buchstabenfolge „mbk“ im geschäftlichen Verkehr für Rechtsdienstleistungen zu benutzen.
Die betreffende Kanzlei hatte im Internetverzeichnis „das Örtliche“ eine Anzeige in Auftrag gegeben in der die Buchstabenfolge „mbk“ verwendet wurde. Auf das Urteil hin löschte die Rechtsanwaltskanzlei diese Buchstabenfolge „mbk“ in diesem Verzeichnis.
In der Folgezeit stellte der Kläger fest, dass auf der Website www.kleve-niederrhein-stadtbranchenbuch.com eine Anzeige erschien, in der weiterhin die verbotene Bezeichnung „mbk“ enthalten war.
Die beklagten Rechtsanwälte hatten diese Eintragung jedoch nicht in Auftrag gegeben; der Betreiber der genannten Website hatte die ursprüngliche Anzeige der beklagten Rechtsanwälte auf eigene Initiative übernommen.
Dennoch beantragten die Kläger wegen Verstoßes gegen das Unterlassungsgebot ein Ordnungsgeld gegen die beklagten Rechtsanwälte. Sie waren der Meinung, dass die beklagten Rechtsanwälte nicht nur verpflichtet waren die Bezeichnung „mbk“ auf der von ihnen beauftragten Anzeige zu löschen, sondern darüber hinaus mit Hilfe der üblichen Suchmaschinen zu untersuchen müssen, ob Betreiber anderer Webseiten die Anzeige übernommen haben. Wenn dies der Fall sei, müsse versucht werden, diese zur Löschung dieser Eintragungen zu veranlassen.
Die entscheidende Frage, die dem EuGH zur Entscheidung vorgelegt wurde lautet also: Liegt eine markenrechtliche Benutzungshandlung durch die beklagten Rechtanwälte auch dann vor, wenn die verbotene Bezeichnung „mbk“ in einer Anzeige auf einer Website erscheint, die von diesen Rechtsanwälten gar nicht in Auftrag gegeben wurde.
Der EuGH stellt in seinem Urteil klar, dass eine markenrechtliche Benutzung ein aktives Verhalten und eine Herrschaft über die Benutzungshandlung erfordert.
Wenn eine Handlung von einem anderen ohne Zustimmung oder Auftrag des Werbenden auf dessen eigene Initiative erfolgt, so ist dies dem Werbenden nicht zuzurechnen. Der vom Kläger gestellte Ordnungsmittelantrag ist dann zurückzuweisen.
Die Entscheidung des EuGH ist nach meiner Auffassung richtig, sie ist aber deshalb besonders bemerkenswert, weil der Bundesgerichtshof (BGH) im Jahr 2013einen ähnlich gelagerten Fall anders entschieden hatte, (vgl. BGH, Urteil vom 13.11.2013, I ZR 77/11).
Auch laut BHG hat der Unterlassungsschuldner zwar grundsätzlich nicht für das selbstständige Handeln Dritter einzustehen. Wenn ihm aber das Handeln des Dritten wirtschaftlich zugute kommt, er mit einem Verstoß ernstlich rechnen muss und er eine rechtliche und tatsächliche Einwirkungsmöglichkeit auf das Verhalten des Dritten hat, dann muss er diesen veranlassen, die Verwendung unzulässiger Bezeichnungen (im Fall des BGH war es eine unzulässige Firmierung) aus seinen Verzeichnissen zu entfernen. Nach Ansicht des BGH muss der Unterlassungsschuldner auch eigene Recherchen nach unzulässigen Zeichenbenutzungen durchführen.
Für den Bereich markenrechtliche Benutzungshandlungen dürfte der BGH auf Grund der Entscheidung des EuGH seine Rechtsprechung nicht mehr aufrechterhalten können.
Es ist aber zu hoffen, dass sich die Entscheidung des EuGH auch auf andere Bereiche auswirkt, zum Beispiel auf den Bereich der vom BGH postulierten Rückrufpflichten von bereits an Dritte veräußerten Produkten auf Grund eines Unterlassungstitels.
Auch in diesem Bereich legt der BGH einem Unterlassungsschuldner nach meiner Auffassung zu weit gehende Pflichten auf.
Die Rechtsprechung zum Stichwort „Handlungspflichten nach Unterlassungstitel“ muss jedenfalls auf Grund des neuen EuGH Urteils genauestens weiter beobachtet werden.
Von Rechtsanwalt Ludwig Wachter, Diplom Betriebswirt, Regensburg
Kaufrecht – BGH-Beschluss zu Abschaltvorrichtungen in KfZ
BGH, Beschluss vom 8. Januar 2019, Az: VIII ZR 225/17
Besprechung von Rechtsanwalt Ludwig Wachter, Regensburg, 17.05.2019
Der Bundesgerichtshof hat durch Beschluss zu zwei wichtigen rechtlichen Fragen Stellung genommen, die im Zusammenhang mit sogenannten Abschaltvorrichtungen bei Kraftfahrzeugen auftreten können. Im Fall des BGH war ein Fahrzeug mit einer Software ausgestattet, die den Stickoxidausstoß auf dem Prüfstand gegenüber dem normalen Fahrbetrieb reduzierte.
Satz 1 Fahrzeugzulassungsverordnung, (solange eine Nachrüstung nicht durchgeführt ist), weil die beschriebene Abschalteinrichtung gegen EU-Vorschriften zur Typ-Genehmigung verstößt. Bereits aufgrund der drohenden Betriebsuntersagung (diese muss noch nicht ausgesprochen sein) ist laut BGH also ein Sachmangel gegeben.
Im BGH-Fall hatte der Käufer die Lieferung einer neuen, mangelfreien Sache verlangt.
Der Verkäufer hatte eingewandt, dass er ein solches Fahrzeug nicht mehr liefern könne, da es inzwischen einen Modellwechsel gegeben habe und sich das neue Modell hinsichtlich Leistung, Höchstgeschwindigkeit und Außenabmessungen deutlich vom Vorgängermodell unterscheide.
Die meisten Oberlandesgerichte haben in solchen Fällen den Anspruch auf Ersatzlieferung verneint.
Der BGH folgt dieser Ansicht aber nicht und erklärt, dass die Reichweite der Beschaffungspflicht des Verkäufers durch Auslegung des Kaufvertrages zu ermitteln ist. In der Regel besteht die Beschaffungspflicht nicht nur für identische Sachen, sondern auch, gerade bei Kraftfahrzeugen, bezüglich sog. Nachfolgermodelle. In diesem Zusammenhang weist der BGH darauf hin, dass es bei Kraftfahrzeugen auch in der laufenden Produktion oft zu technischen Änderungen und Anpassungen komme, ohne dass ein äußerlich erkennbarer Modellwechsel vorgenommen wird.
Die Tatsache, dass das ursprüngliche Modell nicht mehr hergestellt wird und nur noch das Nachfolgermodell verfügbar ist, steht also dem Nachlieferungsverlangen des Käufers nicht entgegen.
Entscheidend ist laut BGH vielmehr, ob die Ersatzbeschaffung für den Käufer im Einzelfall mit unverhältnismäßigen Kosten (§ 439 Abs. 4 BGB) verbunden ist.
Diese Frage wird künftig in der Praxis am wichtigsten werden. Es ist hier eine Interessenabwägung zwischen Käufer- und Verkäuferinteressen vorzunehmen. Die Entscheidungen der Gerichte werden dadurch schwer prognostizierbar.
Zu berücksichtigen ist im Rahmen der Interessenabwägung nicht nur der Aufwand des Verkäufers für die Ersatzbeschaffung (abzüglich des Veräußerungserlöses für das mangelhafte Fahrzeug). Zu berücksichtigen ist auch der Wert der Sache im mangelfreien Zustand und die Bedeutung des Mangels. Besonders wichtig dürfte sein, ob die Mängelbeseitigung ohne erhebliche Nachteile für den Käufer durchgeführt werden kann.
Diese Frage ist gerade bei den Fahrzeugen mit Abschalteinrichtungen wichtig, weil seitens der Verkäufer meistens darauf hingewiesen wird, dass die installierte Abschalt- Software durch ein „Update“ ersetzt werden könne. Der Käufer wird hier oft einwenden, dass ein solches Update für ihn nicht in Frage kommt, da das Fahrzeug dann an Leistung verliert, mehr verbraucht oder einem höheren Verschleiß unterliegt.
Entscheidend in einem Rechtsstreit dürften also oft technische Fragen sein, insbesondere die Problematik, ob das Softwarte-Update tatsächlich ohne Nachteile für den Verkäufer (Verbrauch, Verschleiß, Leistung) durchgeführt werden kann.
Von Rechtsanwalt Ludwig Wachter, Diplom Betriebswirt, Regensburg
Urheberrecht / Filesharing - Muss der Inhaber eines Internetanschlusses den Namen des Täters nennen?
BGH, Urteil vom 30. März 2017; AZ: I ZR 19/16; „Loud“
Besprechung von Rechtsanwalt Ludwig Wachter, Regensburg; 19.12.2017
Der Inhaber eines Internetanschlusses war verklagt worden, weil über seinen Anschluss mittels einer Filesharing -Software 11 Musiktitel der Sängerin Rihanna zum Herunterladen angeboten worden waren.
Die Klägerin verlangte vom Anschlussinhaber Unterlassung und Schadensersatz. In den Vorinstanzen (Landgericht und Oberlandesgericht München) war der Klägerin ein Schadensersatzanspruch in Höhe von 2.500 Euro zugesprochen worden. Gegen das Urteil des OLG München legte der beklagte Anschlussinhaber Revision zum Bundesgerichtshof ein.
Zur Filesharing- Problematik ist zunächst zu erläutern, dass der Inhaber eines Internetanschlusses nicht generell für Urheberrechtsverletzungen haftet, die über seinen Anschluss begangen werden.
Es gibt keinen Anscheinsbeweis für die Täterschaft des Anschlussinhabers. Dies ist für den Anschlussinhaber vorteilhaft, denn ein Anscheinsbeweis müsste vom Anschlussinhaber widerlegt oder zumindest erschüttert werden, um seine täterschaftliche Haftung auszuschließen. Grundsätzlich bleibt es also dabei, dass vom Kläger bewiesen werden muss, dass der Anschlussinhaber auch der Täter der Urheberrechtsverletzung ist.
Da sich die Urheberrechtsverletzung in solchen Fällen aber in einer Sphäre abspielt, in die der Kläger keinen Einblick hat, wird nach der Rechtsprechung des BGH vermutet, dass der Anschlussinhaber der Täter ist, wenn zum Zeitpunkt der Rechtsverletzung keine anderen Personen den Internetanschluss benutzen konnten.
Diese Vermutung kann vom Anschlussinhaber allerdings wesentlich leichter entkräftet werden, als es bei einem Anscheinsbeweis möglich wäre.
Die Vermutung ist nämlich bereits dann widerlegt, wenn anderen Personen bewusst der Zugang zum Internetanschluss überlassen wurde. In den meisten praktischen Fällen ist dies der Fall, da ein Internetanschluss in der Regel nicht nur vom Anschlussinhaber, sondern auch von seiner Ehefrau und seinen Kindern benutzt wird.
Mit dem Verweis auf die abstrakte Nutzungsmöglichkeit ist die Angelegenheit jedoch noch nicht erledigt. Denn wenn ein Anschlussinhaber darauf verweist, dass Dritte den Internetanschluss nutzen konnten, dann treffen ihn bestimmte Nachforschungs- und Mitteilungspflichten. Dies wird vom BGH als „sekundäre Darlegungslast“ bezeichnet.
Genügt der Anschlussinhaber seiner sekundären Darlegungslast nicht, so greift die Vermutung seiner Täterschaft ein.
Die sekundäre Darlegungslast erfordert, dass der Anschlussinhaber im Rahmen des Zumutbaren nachforschen und mitteilen muss, welche Personen unter Berücksichtigung ihres Nutzerverhaltens und ihrer Kenntnisse (Computerkenntnisse) und insbesondere in zeitlicher Hinsicht Gelegenheit hatten, die Verletzungshandlung ohne Wissen des Anschlussinhabers zu begehen.
Findet der Anschlussinhaber nicht heraus, welche Person in seinem Haushalt die Verletzung begangen hat, so muss also nur mitteilen, wer die Verletzungshandlung begehen konnte.
Hier lag die Besonderheit des vom BGH entschiedenen Falles: Der Anschlussinhaber hatte nämlich im Rahmen seiner Nachforschungen herausgefunden, dass eines seiner volljährigen Kinder die Urheberrechtsverletzung begangen hat.
Er hat sich aber unter Verweis auf den grundrechtlichen Schutz von Ehe und Familie nach Artikel 6 Grundgesetz geweigert, den Namen des Kindes anzugeben.
Der BGH erkennt zunächst an, dass der Schutzbereich des Grundrechts aus Artikel 6 Grundgesetz berührt ist, wenn von einem Anschlussinhaber Auskünfte verlangt werden, die das Verhalten seines Ehegatten oder seiner Kinder betreffen und diese dem Risiko einer rechtlichen Inanspruchnahme aussetzen.
Allerdings verweist der BGH darauf, dass dem Inhaber von Urheberrechten ebenfalls ein Grundrecht zur Seite steht, nämlich der Eigentumsschutz nach Artikel 14 Grundgesetz.
Es ist daher im Streitfall eine Abwägung zwischen den grundrechtlich geschützten Positionen vorzunehmen und zu entscheiden, welchem Grundrecht im konkreten Fall der Vorrang einzuräumen ist.
Um eine solche Abwägung sachgemäß durchführen zu können, wäre es nach meiner Auffassung zunächst erforderlich gewesen, die entscheidende Frage deutlich herauszuarbeiten.
Diese hätte wohl folgendermaßen lauten müssen:
„Inwieweit kann sich ein beklagter Anschlussinhaber, ohne dass er dadurch im Prozess einen Nachteil erleidet, auf den Schutz des Artikels 6 Grundgesetz berufen, wenn er im Rahmen seiner Nachforschungen erfährt, wer die Urheberrechtsverletzung begangen hat, er aber die Nennung des Namens des Täters verweigert.“
Die Bedingung „ohne dass er selbst einen Nachteil erleidet“ kann nicht außer Acht gelassen werden, da der Beklagte den Rechtsstreit ja deswegen führt, weil er glaubt, den Namen des Familienmitglieds verweigern zu dürfen, ohne dass ihm deshalb Nachteile erwachsen.
Der BGH stellt sich die oben genannte Frage jedoch nicht. Auf den entscheidenden Punkt, ob der Anschlussinhaber ohne eigene Nachteile die Namensangabe verweigern kann, geht der BGH nicht ein. Dieser Punkt wird vom BGH vielmehr für unbeachtlich erklärt:
Es sei zwar nicht zu verkennen, dass durch die Mitteilung des Namens eine erhebliche Beeinträchtigung des Familienfriedens erfolgen könne. Die Eltern unterlägen jedoch keinem Zwang zur Auskunft. Sie hätten vielmehr die Wahl, ob sie die Auskunft erteilen oder davon absehen.
Wenn sie von der Auskunft absehen, bleibt der Familienfriede natürlich gewahrt, dass der Anschlussinhaber dann aber selbst für die Rechtsverletzung haftet, soll lt. BGH im Rahmen der Grundrechtsabwägung kein entscheidendes Gewicht haben.
Diese Argumentation geht nach m.A. an der Problematik vorbei und erklärt den entscheidenden Ausgangspunkt, Verweigerung des Täternamens ohne eigene Nachteile zu erleiden, für unbeachtlich.
Bei dieser Vorgehensweise kann das Grundrecht des Artikel 6 Grundgesetz nicht zur Geltung gelangen: Der Anschlussinhaber kann den Familienfrieden ja immer dadurch wahren, dass er den Namen des Täters nicht preisgibt. Der Nachteil, dass der Anschlussinhaber dann selbst haftet, spielt für den BGH keine Rolle. Der Grund, weshalb der Anschlussinhaber den ganzen Prozess über drei Instanzen geführt hat, nämlich seine persönliche Haftung abzuwenden, wird als unbeachtlich und als selbstverständliche Folge seines prozessualen Verhaltens behandelt.
Die Vorgehensweise, den entscheidenden Punkt auszuklammern, führt wohl dazu, dass selbst bei einem Download von nur einem Musiktitel das Eigentumsrecht Vorrang haben muss, weil der Anschlussinhaber ja immer den Namen des Täters verschweigen kann und er dadurch eine Beeinträchtigung des Familienfriedens verhindern kann. Das Grundrecht des Artikel 6 Grundgesetz wird dann nicht berührt.
Eine Abwägung der grundrechtlichen Positionen, bei der zum Beispiel die Anzahl der Musiktitel, das Alter der Titel auf der einen Seite und auf der anderen Seite die Frage, ob es sich um einen erstmaligen Verstoß handelte, ob der Ehegatte der Täter ist oder ein minderjähriges oder volljähriges Kind, findet auf diese Weise nicht statt.
Gerade die Differenzierung nach Volljährigkeit und Minderjährigkeit, insbesondere auch im Hinblick darauf, ob die Kinder noch im Hausstand leben und dadurch der Familienfrieden spürbar beeinträchtigt werden kann, wäre nach meiner Auffassung ein wichtiger Gesichtspunkt bei der Grundrechtsabwägung gewesen.
Nach dieser Entscheidung des Bundesgerichtshofs bleibt zu hoffen, dass das Bundesverfassungsgericht oder ein europäisches Gericht möglichst bald Gelegenheit haben wird, sich ebenfalls mit dieser Abwägungsproblematik zu befassen. Außerdem muss beobachtet werden, ob die Instanzgerichte der Argumentation des BGH folgen.
Von Rechtsanwalt Ludwig Wachter, Diplom- Betriebswirt, Regensburg
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